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Ein Stück vergessene Geschichte -Marlene Dietrich, zu Besuch in Gillrath

18. Januar 2020

Text von Manfred Hahn

Fotos: ® Deutsche Kinemathek - Marlene Dietrich Collection Berlin


GEILENKIRCHEN-GILLRATH Zumindest in ihren letzten Lebensjahrzehnten bis 1992 und darüber hinaus bis heute gilt Marlene Dietrich als die große Geheimnisvolle, die sich zuletzt - wohl auch wegen Krankheit und Schmerzen - in ihrer Pariser Wohnung vor der Öffentlichkeit verbarg. Doch noch heute kommen Geheimnisse um „die Dietrich“ ans Licht, die zwar einmal bekannt, aber längst in Vergessenheit geraten sind. Nur durch einen Zufall kam jetzt wieder ans Licht, wo sich der Star vor 75 Jahren, Ende Januar und Anfang Februar 1945, aufhielt, nämlich im Dorf Gillrath bei Geilenkirchen. Hier besuchte sie „ihre Boys“, die amerikanischen Soldaten, und sang im Rahmen der Truppenbetreuung für sie. Dieses Stück internationaler Heimatgeschichte ist nur durch einen Zufall wieder neu entdeckt worden.

Foto: Auch auf einem Panzer, der in der Toreinfahrt zum ehemaligen Gillrather Bauernhaus Plum (heute weiß gestrichen und Steuerberaterkanzlei Plum) steht, ließ sie sich fotografieren.


Die Geschichte beginnt, als sich der Geilenkirchener Gerd Bolten im Dezember 2019 die Wanderausstellung „Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis“ in Oberhausen anschaut. Er staunt nicht schlecht, als er auf der Beschreibung zu einem Foto, das Marlene Dietrich sitzend im Auftrittskostüm auf einem Panzer zeigt, liest, dass es 1945 in Gillrath aufgenommen worden sei. Er informiert sofort einen Bekannten, den in Gillrath geborenen Peter Philipp, der zunächst im Internet recherchiert und dann einige Gillrather Bekannte, unter ihnen den Elektrikermeister Toni Wienands informiert. Dieser schließlich gibt die Information an die Mitglieder der Interessengemeinschaft Gillrath weiter. Deren Vorsitzender Günter Schmitz stellt den Kontakt mit der „Deutschen Kinemathek“ in Berlin her, die zwar ebenfalls keine genauen Informationen, dafür aber einige weitere Fotos besitzt, die von dem Besuch von Marlene Dietrich in Gillrath berichten.


Der Liebe wegen

Dass sich der 1901 in Berlin geborene Star Marlene Dietrich für die amerikanischen Soldaten engagiert, hat mit einer bewussten politischen Entscheidung, aber auch mit einer Liebesgeschichte zu tun. Im Jahr ihres großen Kinoerfolges mit „Der blaue Engel“ nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann, lässt Marlene Dietrich sich in den USA nieder und widersteht später allen Werbungen der Nationalsozialisten, wieder in Deutschland zu filmen oder aufzutreten. 1938, ein Jahr vor Kriegsbeginn, verlegt sie ihren Wohnsitz nach Paris, wo sie nach Angaben des Internetlexikons Wikipedia beginnt, Flüchtlinge aus Deutschland und emigrierte Künstler aktiv und finanziell zu unterstützen.


Und die Liebesgeschichte? Wie ebenfalls in verschiedenen Quellen zu lesen ist, folgt sie dem Beispiel ihres Geliebten, des damals ebenfalls sehr berühmte Filmstar Jean Gabin, der sich in den USA zu den französischen Befreiungsstreitkräften gemeldet hatte. 1943 beginnt auch Marlene Dietrich, die seit 1939 amerikanische Staatsbürgerin ist, im Rahmen der Truppenbetreuung für die amerikanischen GI´s zu singen. Das Bestreben, dicht an der Front zu sein, bringt sie dann beim alliierten Vormarsch nach der Landung in der Normandie durch Belgien und die Niederlande in das von Engländern und US-Truppen besetze deutsche Grenzland - so auch nach Gillrath.

Sollte es große Geschichten um den Aufenthalt von Marlene Dietrich in Gillrath gegeben haben, sind diese leider längst vergessen. Aber die wenigen Fotos, die die Interessengemeinschaft Gillrath bei der Deutschen Kinemathek in Berlin gefunden hat, erzählen von einem strahlenden Star. Amerikanische Soldaten tragen sie auf den Bildern zumindest für kurze Zeit fröhlich auf den Armen, um sie vor der verschlammten Straße zu schützen. Die Straße ist die heutige Karl-Arnold-Straße. Auf einem Foto posiert die Diva auf einem Panzer, der in der Hofeinfahrt des ehemaligen Gillrather Bauernhauses Plum steht. Heute ist das Haus weiß gestrichen und beheimatet die Steuerberaterkanzlei Plum. Außerdem gibt es Aufnah­men von einem Auftritt von Marlene Dietrich im gut gefüllten Saal der da­maligen Gaststätte Franzen.


Foto: Fröhliche amerikanische Soldaten tragen Marlene Dietrich über die Gillrather Dorfstraße (heute Karl-Arnold-Straße) vor der ehemaligen Gaststätte Franzen.


Keine Zeitzeugen

Es scheint kaum vorstellbar, dass sich heute kein Gillrather Zeitzeuge finden lässt, der sich an diese besondere Episode der Besetzung erinnert. Ein Blick in die von der Interessengemeinschaft Gillrath (IGG) veröffentlichten Dorfchronik des verstorbenen Gillrather Bürgers und ehemaligen Geilenkirchener Stadtkämmerers Matthias Köhlen gibt Aufschluss: In der Chronik berichtet Köhlen, dass es am 13. September 1944 einen von der NSDAP-Kreisleitung ausgestellten Räumungsbefehl für alle Gillrather Einwohner gab. So begann an diesem Tag für viele der Weg in die Evakuierung, der sie oft nach Westfalen führte.

Es gab einige Gillrather, die sich dem Räumungsbefehl widersetzten, sich in den Kellerräumen ihrer Häuser einrichteten und darauf hofften, von der heranrückenden alliierten Front überrollt zu werden. Als dies geschah, wurden diese Zivilisten von den Amerikanern zunächst geduldet. Doch als dann die Engländer kamen, mussten auch sie ihr Dorf verlassen.

Sie wurden in das Lager Vught zwischen Eindhoven und Hertogenbosch (Niederlande) gebracht, ein ehemaliges Konzentrationslager der Nazis, das nach der Befreiung als Internierungslager genutzt wurde. Trotz einer zeitweiligen Ruhe an der Front um Geilenkirchen herrschte noch Krieg. Zwischen Dezember und Januar tobte die blutige Ardennenschlacht, der Weltkrieg endete endgültig am 8. Mai 1945.


Und die Diva? Ihr Stern strahlt auch in der Nachkriegszeit und bis zu ihrem Bühnenunfall 1975 zumindest außerhalb Deutschlands noch hell, wofür die Agatha-Christie-Verfilmung „Zeugin der Anklage“ nur ein Beispiel ist.

In ihrer wirklichen Heimat Deutschland stößt sie in Teilen der Bevölkerung als „Verräterin“ auch auf Ablehnung. Ihrer politischen Haltung blieb sie im Wesentlichen jedoch treu, was unter anderem ihre grandiose Interpretation des Pete Seeger-Songs „Sag mit, wo die Blumen sind“ belegt.​


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